Bei dem Spiel Hannover 96 gegen Fortuna Düsseldorf am 22.12.2018 kam es zu massiven Angriffen von Teilen der aktiven Fanszene von Hannover 96 auf antifaschistische Fans. Diese verteilten im Rahmen der Kampagne „Hannover Rechtsaussen“ Flyer im Niedersachsenstadion, um auf die besorgniserregenden Entwicklungen innerhalb der Kurve aufmerksam zu machen. Anstatt die Angreifer festzunehmen, überzog die Polizei die Antifaschist*innen mit Repression und nahm diese für mehrere Stunden in Gewahrsam. Damit verhinderten sie aktiv ein antifaschistisches Engagement innerhalb des Stadions und gaben den rechten Fans Rückendeckung.
Seit ca. 2010 ist zu beobachten, dass sich in der Fanszene von Hannover 96 vermehrt Neonazis frei bewegen können, gleichzeitig jedoch Personen ausgeschlossen werden, die sich antirassistisch positionieren und denen eine Nähe zur „Antifa“ nachgesagt wird. Über die Jahre kam es hierbei zu Einschüchterungen und Angriffen durch Personen, die heute zu den Führungspersonen der Ultraszene zählen und größtenteils bei „West Hannover“ organisiert sind. Spätestens mit dem Ausschluss der Gruppe „RBH Ultras“, deren Mitglieder sich größtenteils als links verstehen, hat sich der oft hinter verschlossenen Türen ablaufende Prozess für viele Stadiongänger*innen bemerkbar gemacht.
Aufgrund der beschriebenen Entwicklungen wollte die Kampagne „Hannover Rechtsaussen“ bei dem besagten Spiel Flyer im Bereich vor der Nordkurve verteilen. Der Ort wurde bewusst gewählt, um 96-Fans anzusprechen, die sich mit dem aktuellen Zustand nicht abfinden wollen. Nur wenige Sekunden nachdem die ersten Flyer verteilt wurden, näherten sich vier Personen aus der als rechts einzustufenden Gruppe „West Hannover“ und schlugen unvermittelt eine verteilende Person nieder. Anschließend forderten die Angreifer weitere Verstärkung, um die vermeintlichen „Eindringlinge“ zu vertreiben. Die angreifende Gruppe wuchs schnell auf etwa 50 Personen an, die den Angriff auf die Verteilenden fortsetzten. Glücklicherweise konnten die Angriffe weitgehend abgewehrt werden, sodass es nur zu leichten Verletzungen kam. Nach ca. zwei Minuten beendete die Polizei zwar den Angriff, jedoch nahmen die Beamt*innen nur die Betroffenen in Gewahrsam, während den Angreifenden der Rückzug in die Nordkurve ermöglicht wurde.
Im Zuge dieser einseitigen Maßnahme wurden 35 Personen auf die Waterloo-Polizeiwache gebracht und für mehrere Stunden in Gewahrsam genommen. Alle Personen wurden erkennungsdienstlich behandelt. Dabei mussten sich zwei Frauen ohne nachvollziehbare Gründe nackt ausziehen und durchsuchen lassen.
Rechte Fans von „West Hannover“ machten sich die Ingewahrsamnahme zu Nutze und warteten auf vereinzelt Entlassene, um diese noch einmal körperlich anzugreifen. Dabei kam es zu einem Übergriff auf zwei Personen in einem PKW direkt vor der Waterloo-Polizeiwache. Das Auto wurde von vier Personen mit Steinen beworfen und mit Tritten traktiert, wobei das Auto stark beschädigt und die Insass*innen leicht verletzt wurden. Auch hier reagierte die Polizei nicht – trotz unmittelbarer Nähe.
In der hannoverschen Fanszene wurden bewusst die Gerüchte verbreitet, es handele sich bei den Flyer verteilenden Personen, um Anhänger*innen von Werder Bremen, die den „Zwinger“ (der Container-Bereich der Fanszene) angriffen. „Diese Gerüchte entbehren jeder Grundlage und dienen lediglich dem Zweck den Übergriff zu rechtfertigen und zu entpolitisieren“, sagt Hannah Niemeyer, eine Sprecherin der Kampagne „Hannover Rechtsaussen“. „Dass bereits das bloße Verteilen von Flyern zu einem Angriff führt, bestätigt nur unsere Vorwürfe, dass rechte Strukturen in der Kurve geduldet und akzeptiert werden. Die Polizei zeigte heute keine Sensibilität für das offensichtliche Problem, sondern stärkte durch ihr Verhalten den rechten Fans den Rücken. Das Verhalten der Polizei, sowie die Angriffe verurteilen wir mit aller Schärfe. Wir werden nicht aufhören uns im Stadion zu engagieren und rechten Strukturen entgegenzutreten“, so Niemeyer.