FAQ´s

Viele von euch haben wahrscheinlich schon von der Kampagne „Hannover Rechtsaußen“ gehört, sei es durch Diskussionen in Internetforen oder durch unseren öffentlichen Auftritt beim Heimspiel der 96er gegen Hoffenheim. Dort haben wir mit dem Spruchband „Rechte Fans raus aus der Kurve!“ auf die derzeitige Situation in der Fanszene von Hannover 96 aufmerksam gemacht. Da wir nach unserem letzten Stadionbesuch eine Menge positives wie negatives Feedback auf verschiedensten Wegen erhalten haben, möchten wir euch an dieser Stelle erneut über die aktuellen Entwicklungen informieren und uns zu oft gestellten Fragen äußern!

Zunächst eine kleine Erläuterung der Grundsituation: Seit ca. 2010 ist zu beobachten, dass sich in der Fanszene von Hannover 96 vermehrt Neonazis frei bewegen können, gleichzeitig jedoch Personen ausgeschlossen werden, die sich antirassistisch positionieren und denen eine Nähe zur „Antifa“ nachgesagt wird. Über die Jahre kam es hierbei zu Einschüchterungen und Angriffen durch Personen, die heute zu den Führungspersonen der Ultraszene zählen und größtenteils bei „West Hannover“ organisiert sind. Spätestens mit dem Ausschluss der Gruppe „RBH Ultras“, deren Mitglieder sich größtenteils als links verstehen, hat sich der oft hinter verschlossenen Türen ablaufende Prozess für viele Stadiongänger_innen bemerkbar gemacht. Eine detaillierte Darstellung findet ihr weiter unten auf dem Blog. Im Folgenden möchten wir ein paar Fragen beantworten und dabei auch auf die Veröffentlichung des „I-Blocks“ eingehen, der am 09.11.2018 von der Ultraszene verteilt wurde und sich auch auf unsere Kampagne bezieht.

 

Wer seid ihr denn überhaupt? Ihr habt doch gar nichts mit Fußball zu tun…

Die Kampagne setzt sich aus verschiedenen Einzelpersonen und Gruppen zusammen. Bei uns machen Leute mit, die jahrelang aktiv zu 96 gefahren sind, sowie politische Gruppen aus dem antifaschistischen Spektrum. Leider wird unsere Kampagne oft mit dem Argument delegitimiert, dass wir mit 96 nichts zu tun hätten und es uns nicht zustehe, über die Szene zu urteilen und „interne“ Angelegenheiten zu bewerten.Wir können nachvollziehen, dass wir für viele 96er_innen, die sich seit Jahren in der Fanszene betätigen, zunächst wie Störenfriede wirken. Allerdings ändert sich an den Inhalten und Belegen unserer Kampagne nichts, egal ob sie nun von außen hervorgebracht werden oder aus der Fanszene selbst kommen. Des Weiteren kann man unsere „externe“ Position auch in gewissem Maße als Vorteil betrachten, da wir nicht wöchentlich mit den uns als problematisch erscheinenden Gruppen/Personen zu tun haben und wir keine Angst haben müssen, ein Standing in der Fanszene zu verlieren, sobald wir Kritik üben. Das Feedback hat uns gezeigt, dass es viele im Stadion gibt, die unsere Ansichten grundsätzlich teilen, sich aber mit einer Positionierung bedeckt halten. Dies können wir (leider) absolut nachvollziehen, denn sich für unsere Kampagne auszusprechen oder mit uns in Kontakt zu stehen, würde wahrscheinlich für viele das Ende eines entspannten Stadionbesuchs bedeuten. Hier würden wir uns wünschen, dass objektiv über die geäußerten Vorwürfe diskutiert und Position bezogen werden kann, ohne Angst davor haben zu müssen, Konsequenzen zu erleiden.

 

Aber das sind doch alles keine Nazis…

Stimmt! Das haben wir aber auch nie behauptet. Für viele erweckt es den Anschein, als würden wir der kompletten Fan-/Ultraszene einen rechten Stempel aufdrücken wollen. Dem ist natürlich nicht so! Wir wissen, dass es viele nennenswerte Strukturen und Gruppen gibt, die sich für eine Kurve ohne Diskriminierung einsetzen, wie zum Beispiel der Arbeitskreis 96-Fans gegen Rassismus. Leider darf man aber nicht die Augen davor verschließen, dass sich vor allem im Umfeld der Gruppe „West Hannover“ Neonazis bewegen. Personen wie Marcel „Python“ Schmiedeskamp, Philipp „Paule“ Meibaum, Timm Güse und Maximilian Meier tummeln sich seit Jahren ungestört in der Fanszene. Zudem wird auch die Freundschaft von West Hannover zur Neonazihoolgruppierung „Venomous Generation “ aus Bielefeld offen ausgelebt, während im I-Block nur zum Verhältnis zur Fanszene als Ganzes Stellung bezogen wird. Als weiteres Beispiel lassen sich die musikalischen Gehversuche eines bekannten Szenemitglieds nennen, die von YouTube entfernt wurden, weil die mit rassistischen Zuschreibungen gespickte Vergewaltigungshymne gegen diverse Richtlinien verstieß. Auch ist bekannt geworden, dass Personen aus der Szene nicht nur Spenden für die „Identitäre Bewegung“ sammelten, sondern es auch Verbindungen jüngerer Szenemitglieder, die in dieser Atmosphäre beim Fußball sozialisiert werden, zu den „Identitären“ gibt. Wenn dann noch hinzukommt, dass systematisch Personen aus der Szene ausgeschlossen werden, denen eine Nähe zu linken Strukturen nachgesagt wird, dann muss man leider in der Gesamtheit von einem Rechtsruck innerhalb der Fanszene sprechen. Wie gesagt bedeutet dies nicht, dass wir jeder Person rechtes Gedankengut unterstellen! Wir gehen eher davon aus, dass das Gegenteil der Fall ist.

 

Das sind doch alles nur Fußballkonflikte…

Sobald wir den politischen Charakter der Vorgänge in den letzten Jahren betonen, wird jegliche Kritik unsererseits stets mit dem „Argument“ entkräftet, dass alles auf persönliche Konflikte zwischen „der Antifa“ und Einzelpersonen aus der Fanszene zurückzuführen sei. Diese seien entstanden, weil „Ex-BN Leute, die jetzt in der Antifa sind, mit linken Ultras aus Braunschweig und St. Pauli auf einer Soliparty in Bremen und politischen Veranstaltungen waren.“ Diese Geschichte wird auch fast 10 Jahre später noch angeführt wird, um jegliches Handeln gegen Antifaschist_innen zu begründen. Ohne den Partybesuch der Personen von damals zu bewerten, fragen wir uns, wieso es gerade in einem antifaschistischen Rahmen zu Problemen kommt, wenn man sich städteübergreifend vernetzt.   Wieso bekommt ein jetziger Vorsänger keinen Stress, wenn er beim Auswärtsspiel der deutschen Nationalmannschaft in Ungarn zusammen mit Neonazis des FC Lok Leipzig unterwegs ist und „Zick Zack Zigeneurpack“ schreit? Warum können generell bei Auswärtsspielen der Nationalmannschaft alle ihre Vereinszugehörigkeit hinter sich lassen? Wieso kann die hannoversche Ultraszene, um gegen das NPOG zu demonstrieren, auf einer politischen Veranstaltung mit Braunschweiger_innen sein? Das solche Zusammenkünfte nur in linken Kontexten problematisch werden, ist für uns ein Indiz dafür, dass lediglich nach Erklärungen gesucht wird, um Angriffe und das Handeln gegen Linke auf einen Fußballkonflikt reduzieren zu können.

 

Die Kurve regelt das unter sich…

Diese Vorstellung klingt zwar schön, doch leider ist dem nicht so. Um das Jahr 2010 gab es den letzten größeren Versuch der Neonazigruppe „Besseres Hannover“, einen festen Platz in der Hool- und Ultraszene einzunehmen. Dies gelang sogar, die Gruppe „Royal Riot“, in der sich die Neonazis sammelten, hatte einen festen Zaunfahnenplatz in der Kurve, Neonazis mit eindeutigen Tätowierungen fuhren mit ins Trainingslager, wo man zusammen seinen Urlaub verbrachte und gemeinsam für Fotos posierte. Zudem stellten Personen von Royal Riot die Ordner für selbstorganisierte Sonderzüge der Ultraszene Hannover. Die Neonazis hatten also ihren festen Platz in der Szene und es wusste jeder, aus welchen Bezügen diese Leute kommen und wie sie politisch eingestellt sind. Anders als im I-Block erklärt, war es an diesem Punkt jedoch nicht die Ultraszene, die einschritt. Externe Leute verschickten ein Outingdokument an sämtliche Pressestellen und klärten über die Situation auf, wodurch das Thema eine breite Öffentlichkeit erlangte. Aufgrund des öffentlichen Drucks wurden viele Personen von Royal Riot zum Rückzug gezwungen. Einige sind heute wieder da und machen nun dort weiter, wo sie damals aufgehört hatten. Dieses Beispiel liegt zwar ein paar Jahre zurück, zeigt jedoch, dass sich nicht alle Probleme von selbst lösen. Das Argument „Die Kurve regelt das unter sich“ heißt in Wahrheit leider: die Personen, die das größte Gewaltpotenzial haben, setzen ihren Willen durch.

 

Wieso missbraucht ihr den Fußball für eure Politik?

Unser Ziel ist es nicht, den Fußball als Bühne für unsere Politik zu nutzen. Vielmehr sehen wir aktuell die Gefahr, dass Rechte eine günstige Ausgangslage in der Kurve vorfinden und sich in absehbarer Zeit ihren festen Platz erarbeiten, um ihrerseits an politischem Einfluss zu gewinnen. Die momentane Situation in Hannover ist vergleichbar mit anderen Städten, in denen sich die Szenen nach rechts entwickelten, wie beispielsweise in Dortmund (mehr Infos hier oder hier) und nun Neonazis in der Kurve eine Normalität sind. Je später eingegriffen wird, umso schwerer ist es auch, diese Probleme in den Griff zu bekommen.

 

Was ist denn euer Ziel?

Zunächst hoffen wir, in der Fanszene eine Auseinandersetzung mit den problematischen Personen/ Gruppen anstoßen zu können und das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen. Wir wünschen uns, dass die rechten Strukturen in der Kurve nicht geduldet werden, sondern eine aktive Diskussion darüber stattfinden kann. Der Diskurs muss darüber hinausgehen, dass man „keinen Bock hat, mit Nazis in einen Topf geworfen zu werden“ (I-Block) – vielmehr müssen die betreffenden Personen erklären, warum sie dann mit Nazis kooperieren und diese am Fanleben teilhaben lassen. Der autoritäre Ruck, der mit dem Ausschluss diverser langjähriger Gruppen und Personen durch die Fanszene ging, ist ein weiterer Fingerzeig aus welcher Richtung der Wind im Niedersachsenstadion weht und von einer vielbeschworenen bunten Kurve ist man weiter entfernt als je zuvor.

Da Taten bekanntlich mehr wiegen als leere Worte, wäre die einzige ernstzunehmende Konsequenz ein Ausschluss von Neonazis und ihren Unterstützer_innen aus dem Umfeld der 96er Fanszene.